Gentests Krebsbehandlung
Gentests und ihr Einsatz in der Krebsbehandlung  Bio-Chips als Helfer bei der Therapieentscheidung  In den kommenden 20 Jahren wird sich die Zahl der Menschen mit Krebs vermutlich  verdoppeln: von derzeit 10 auf dann 20 Millionen neue Krebspatienten pro Jahr. Das  jedenfalls schätzt die Weltgesundheitsorganisation. Menschen, denen der Arzt  mitteilen muss, dass sie Krebs haben, stellen sich existenzielle Fragen: Wie bösartig  ist der Tumor? Stehen die Chancen gut für eine erfolgreiche Behandlung oder muss  mit einem tödlichen Verlauf der Erkrankung gerechnet werden? Ist die mögliche  Therapie für den Körper verträglich?   Bei einigen Krebsarten wie bestimmten Formen von Blutkrebs oder Tumoren bei  Kindern sind die Heilungschancen in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen.  Dennoch: Ein großer Teil der Krebserkrankungen ist für den Patienten  lebensbegrenzend. Selbst Brustkrebs, der zum Zeitpunkt der Diagnose noch keine  angrenzenden Lymphknoten befallen hat, führt schließlich bei etwa 25 Prozent der  Frauen zum Tod durch Tochtergeschwülste. Auch Abschätzungen von individuellen  Behandlungschancen und -risiken sind derzeit im Allgemeinen vage. So erlaubt zum  Beispiel die feingewebliche Untersuchung des Tumors nicht zu entscheiden, welche  Patientin von einer vorbeugenden, medikamentösen Therapie profitieren wird und  welche nicht.  Der qualitative Sprung in der Krebsforschung, der für den einzelnen Patienten eine  verlässlichere Prognose und eine besser auf ihn zugeschnittene Therapie bedeuten  würde, wird vor allem von den Molekularbiologen und Biochemikern erwartet. Das  sagt Professor Rüdiger Hehlmann aus Heidelberg, über gezielte Krebstherapien auf  molekularer Basis berichten wird. Nachdem das menschliche Erbgut weit gehend  entziffert ist, suchen die Krebsforscher zum Beispiel jene Gene, die bei der  Entstehung der verschiedenen Tumoren von Bedeutung sind und die möglichst auch  etwas über die Aggressivität des Tumors aussagen. Das Werkzeug der Forscher:  der Bio-Chip!  Chip-Entwicklung mit Hochdruck und vielen Fragestellungen  So hat zum Beispiel ein niederländisches Team vor kurzem mit Hilfe eines Chips aus  25.000 Genen 70 identifiziert, die bei Brustkrebs unabhängig vom  Lymphknotenbefall eine Prognose darüber erlauben, ob der Tumor zur  Metastasierung neigt. Solche Chips werden zurzeit für fast alle Tumorarten  entwickelt, aber erst wenige haben Eingang in die klinische Praxis gefunden. Ein  Grund: Es ist eine lange Nachbeobachtungszeit in Studien notwendig, um die  Aussagekraft solcher Tests beurteilen zu können. „Außerdem ist oft der  Zusammenhang zwischen Kandidaten-Genen und Krebserkrankung unklar“, gibt  Professor Christopher Poremba aus Düsseldorf zu bedenken, der ebenfalls bei dem  Medica-Seminar dabei ist. Denn die Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen  genetischen Veränderungen, die den Zellentartungen vorangehen, und ihren  Effekten in der Zelle sind komplex. Die Frage, wie denn das gefundene Gen an der  Krebsentstehung mitgewirkt haben soll, bleibt häufig unbeantwortet.  „Wir wissen heute, dass ein Gen nicht nur den Bauplan für ein einziges  Eiweißmolekül enthält, wie früher vermutet, sondern zum Beispiel 50 Gene die  Baupläne für 150 Proteine enthalten“, sagt der Leiter des MEDICA-Seminars,  Professor Georg Hoffmann, der am Institut für Molekulare Onkologie (IMO) im IZB  Martinsried bei München tätig ist. Um den Tumor und möglichst gleich auch seine  Aggressivität erkennen zu können, gelte es deshalb, außer veränderten Genmustern  (Genomik) auch ein für die Krebszelle typisches Muster von Eiweißmolekülen  (Proteomik) zu finden. „Und schließlich können diese Eiweiße in der Krebszelle noch  eine veränderte Funktion haben, auch das müssen wir erforschen“, so der  Wissenschaftler.  Zur Bestandsaufnahme der Eiweiße in Zellen verwenden die Forscher häufig die  Massenspektrometrie. Bei diesem Nachweisverfahren wird eine Probe Blut oder  Urin mit Laserstrahlen beschossen. Die einzelnen Eiweißmoleküle fliegen dann  durch ein elektrisches Feld. Je schwerer sie sind, desto langsamer. Aus den  gemessenen Flugzeiten lässt sich das Muster der Proteine rekonstruieren und die  Muster gesunder und kranker Zellen lassen sich vergleichen. So haben Hoffmann  und sein Team im Urin von Patienten mit Blasenkarzinom typische Eiweißprofile  gefunden, die die Grundlage bilden für einen einfachen diagnostischen Test auf den  Tumor. Auch das Wiederauftreten von Harnblasentumoren nach einer Therapie  könnte sich mit solchen Urintestes künftig frühzeitig vorhersagen lassen.  Einsatzfeld Brustkrebs: Hormonbehandlung JA oder NEIN  Da eine Krebstherapie mit den wachstumshemmenden Zytostatika immer auch  gesunde Gewebe oder die Blutbildung in Mitleidenschaft zieht, würden Patienten  von Tests auf den individuellen Nutzen und die Verträglichkeit der Behandlungen  besonders profitieren. Solche Tests dürfte es vermutlich in einigen Jahren geben. So  entwickelt ein Forscherteam vom Massachusetts General Hospital in Boston einen  Genchip, mit dem sich abschätzen lässt, ob Frauen mit Brustkrebs nach der  Operation auf eine Hormonbehandlung ansprechen werden oder nicht. Der Test soll  noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Zwei andere Onkologenteams – eines  aus Tokio, das Zweite aus den USA vom M. D. Anderson Cancer Center in Houston  – haben Genchips entwickelt, die das Ansprechen von Brustkrebspatientinnen auf  Zytostatika vorhersagen sollen.  Auch für Lungenkrebs sind solche Tests in Entwicklung. Zwei US-amerikanische  Arbeitsgruppen haben unabhängig von einander herausgefunden, dass vor allem  Patienten mit einer genetischen Veränderung in einem Eiweiß, das Angriffsziel für  die wachstumshemmende Substanz Gefitinib (Iressa®) ist, auf eine Behandlung mit  diesem Medikament ansprechen.  Der Vorteil solcher Untersuchungen: Krebspatienten, die auf eine bestimmte  Behandlung ohnehin nicht mit einer Rückbildung des Tumors reagieren würden,  bleiben auch die Nebenwirkungen dieser Therapie erspart.
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