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MUskelschwund
Muskelabbau und funktionelle Einschränkungen: „Mit guter Ernährung lässt sich
Sarkopenie bremsen“
Wenn Menschen im Laufe des Lebens körperlich schwächer werden,
gilt das oft als harmlose Alterserscheinung. Jedoch leiden 50 Millionen Menschen
weltweit unter so starkem, altersbedingtem Muskelschwund, der sogenannten
Sarkopenie, dass sie Gefahr laufen, zu stürzen oder ihren Alltag nicht mehr
selbstständig bewältigen zu können. Laut der Europäischen Arbeitsgruppe für
Sarkopenie bei älteren Menschen könnte diese Zahl in den nächsten 40 Jahren auf
mehr als 200 Millionen Betroffene weltweit steigen. „Sarkopenie ist eine
ernstzunehmende Gesundheitsgefahr“, sagt Tommy Cederholm, Professor für
Klinische Ernährung an der Universität Uppsala in Schweden. „Das größte Problem
ist die mangelnde Aufmerksamkeit, auch unter Fachleuten“, erklärt der Geriater.
„Dabei kann man den Verlauf des Muskelschwunds bremsen!“ Der international
anerkannte Fachmann für die Ernährung des älteren Menschen wird in einer
Keynote-Lecture auf dem Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie
in Frankfurt erläutern, wie Nährstoffe den Muskelschwund beeinflussen und welche
medikamentösen Therapieansätze bereits absehbar sind. Zudem wird er auf einem
Symposium über die Fortschritte berichten, eine weltweit einheitliche Definition für
Mangelernährung zu entwickeln.
„
Wir sprechen von Sarkopenie, wenn sowohl die Muskelmasse als auch die
Muskelfunktion abnimmt“, so Cederholm. Neben mangelnder Bewegung und
chronischen Krankheiten kann vor allem auch die Ernährung den Kraftverlust
beschleunigen. Ältere Menschen verbrauchen weniger Energie, deshalb essen sie
meist auch weniger als in jüngeren Jahren. Dabei reduzieren die meisten Menschen
einfach die Gesamtmenge ihrer Mahlzeiten. „Im Alter kann der Körper jedoch
Eiweiße schlechter verarbeiten“, erklärt Cederholm. „Deshalb müssten ältere
Menschen eigentlich mehr Protein zu sich nehmen, um den Muskelabbau zu
begrenzen.“
Essenzielle Aminosäuren helfen gegen Muskelschwund, weitere Nährstoffe werden
untersucht
Die klinische Ernährungswissenschaft hat in den vergangenen Jahren insbesondere
untersucht, welche Aminosäuren, also Bausteine der Eiweiße, zur Eindämmung der
Sarkopenie hilfreich sein könnten. „Der Fokus liegt dabei auf den essenziellen
Aminosäuren, die der Mensch nur über die Nahrung aufnehmen kann“, sagt
Cederholm. „Heute wissen wir, dass einige von ihnen eine größere Bedeutung für
den Muskelaufbau haben als andere.“ Aktuell werde zudem zur Wirkung von Vitamin
D geforscht. „Einige Studien deuten darauf hin, dass es wichtig für die Funktion der
Muskeln ist“, erklärt der Ernährungswissenschaftler. „Wir brauchen hierzu aber noch
mehr Daten.“ Spannend findet er auch die Forschung zum Einfluss essenzieller
Fettsäuren.
Krafttraining und optimierte Ernährung wirken
„Die Basis der Behandlung ist gezieltes Krafttraining, insbesondere für die größten
Muskeln des Körpers“, betont Cederholm. „Der zweite Pfeiler ist eine
Ernährungsumstellung.“ Ältere Menschen, sollten die Aufnahme von Kohlenhydraten
und Fett reduzieren und dafür den Protein-Anteil in ihrem Speiseplan erhöhen, so
der Experte. „Das Eiweiß sollte dabei nicht nur aus Fleisch stammen. Auch Fisch
und Hülsenfrüchte sind wertvolle Eiweißquellen. Die Vielfalt zählt.“ Ärzte müssten
Patienten bei dieser Umstellung beraten.
Für die Zukunft wünscht sich Cederholm, dass Sarkopenie präventiv angegangen
wird, bevor ein Mensch Einschränkungen erleidet. „Wir müssen das Wissen aus der
Geriatrie auch auf jenen Teil der Bevölkerung ausdehnen, der auf das Alter zugeht.“
Zudem hofft er, dass sich aus der ernährungswissenschaftlichen Forschung weitere
Behandlungsansätze ergeben. „Es ist absehbar, dass es gut ausbalancierte
Nährstoff-Präparate geben wird, die muskelaufbauende Effekte haben werden.“
Internationale Definition für Mangelernährung steht kurz vor Beschluss
Um den Fortschritt der klinischen Ernährungsforschung geht es auch bei der Global
Leadership Initiative on Malnutrition, von der Tommy Cederholm beim
Jahreskongress der DGG berichten wird. In dieser Initiative versuchen die
Fachgesellschaften für klinische Ernährungswissenschaft aus Europa, Asien,
Lateinamerika und den USA eine gemeinsame Definition von Mangelernährung zu
finden. „Bislang gab es wenig Übereinstimmung darüber, wer als mangelernährt gilt
und mit welchen Screening-Werkzeugen man Risikopatienten identifizieren sollte“,
erklärt Cederholm. „Ein Konsens ist jedoch wichtig, wenn man neue Therapien
entwickelt. Dafür müssen wir uns sicher sein, dass alle Forscher über die gleiche
Krankheit sprechen.“ Den jüngsten Stand der Beratungen wird Cederholm auf dem
Kongress erläutern. „Wir stehen bereits kurz vor dem Ende. Innerhalb des nächsten
halben Jahres sollten wir einen Konsens gefunden haben.“